Am 18. August 2016 wäre Margareta Erichsen 100 Jahre alt geworden.

Geboren wurde sie während des Ersten Weltkrieges. Ihr Vater musste Soldat werden, konnte zum Glück aber körperlich unversehrt heimkehren; ihm war die Aufgabe übertragen worden, Geschehnisse des Krieges zeichnerisch festzuhalten.

Das künstlische Geschick lag in der Familie. Margareta Erichsens Talent fürs Zeichnen und Gestalten machte sich bereits in der Schulzeit bemerkbar. Trotzdem begann sie mit einer Hauswirtschaftslehre, wie es die damalige Sozialisation für ein junges Mädchen vorsah. Ihre Passion für das Künstlerische blieb jedoch bestehen, und sie wurde für das Sommersemester 1937 an der ”Meisterschule  für das Deutsche Handwerk” in Flensburg aufgenommen. Bei Kriegsbeginn 1939 nahm sie, um dem Kriegsdienst zu entgehen, eine Arbeit als Hauswirtschafterin auf einem Gut in Angeln an. Ihr Interesse an der Kunst nahm jedoch zu. Sie bewarb sich an der Kunstakademie in Karlsruhe und wurde schon beim ersten Durchgang aufgenommen. Hier und auch später während ihres Aufenthaltes an der Kunstakademie in München erlebte sie, welche Zerstörungen der Krieg verursachte. Allmählich wurden die Studierenden ebenfalls zur Arbeit in der Rüstungsindustrie herangezogen. Margareta Erichsen weigerte sich und konnte stattdessen als technische Zeichnerin bei der Flensburger Schiffswerft arbeiten.

Doch auch hier musste sie wieder die zerstörerische Wirkung der Kriegsmaschinerie erleben. Nach dem Krieg gründete sie mit ihrem Bruder eine kleine Firma, das ”Atelier Erichsen”. Jetzt begann für Margareta Erichsen das, was sich als ihre Stärke und ihre Lebensaufgabe herausstellen sollte: die alten Gebäude mit ihrem Lebenskontext darzustellen und sie damit auch für die Nachwelt festzuhalten. Aus persönlichen und fachlichen Gründen bewarb sich Margareta Erichsen 1947 an der Kunstakademie in Kopenhagen und erhielt ohne Weiteres einen Studienplatz. In den drei folgenden Jahren lernte sie Dänemark kennen.

Zurück in Flensburg wurde sie vor allem aktiv in der dänischen Minderheit. Von 1950 bis 54 gestaltete sie u.a. die Kinderseiten der Tageszeitung Flensborg Avis, für die sie auch selbst Geschichten schrieb und diese illustrierte. Im Laufe der Zeit erweiterte sich ihr Aufgabengebiet. Dazu gehörten kalligrafische Arbeiten und die Illustration der dänischsprachigen Geschichte Flensburgs. Von 1961 bis 1970 entwarf sie die Weihnachtsteller des Sydslesvigsk Forening. Während ihrer Arbeit bei der Flensborg Avis begegnete sie dem Journalisten und Schriftsteller Wilhelm
Ludwig Andresen aus Eiderstedt. Er hatte in der Zeit der Volkabstimmung nach 1919 intensiv für die deutschsprachige dänisch orientierte Presse gearbeitet. Im Jahre 1923 gründete er zusammen mit Johannes Oldsen und Martin Lorenzen den nordisch orientierten Friesisch-Schleswigschen Verein. W.L. Andresen und Margareta Erichsen waren durch viele gemeinsame Projekte verbunden, u.a. durch eine dänische Sprachlehre, er als Verfasser, sie als Illustratorin. Auch die Zeitschrift Das freie Südschleswig war eine Gemeinschaftsarbeit. Die beiden heirateten1963 und konnten 20
gemeinsame Jahre verleben.

Das Paar ließ sich an der Westküste in Husum nieder; gemeinsam lernten beide nun. Friesisch. So wurde Margareta Erichsen ein typischer Mensch des Grenzlandes, der in drei Kulturen unseres Landesteils – deutsch, dänisch und friesisch – Eingang gefunden hatte. Die Künstlerin hatte die verheerenden Folgen des Krieges erlebt. Aber auch durch den wirtschaftlichen Aufschwung der Nachkriegsjahre verschwanden viele wertvolle Gebäude, damit Platz für Neues geschaffen werden konnte. Früh wurde ihr klar, dass alte Kulturwerte dadurch für immer verloren gingen. Mit festem Willen und großem Einfühlungsvermögen gestaltete sie ein Haus nach dem anderen und schuf so einen Schatz von außerordenlicher künstlerischer Bedeutung und höchstem dokumentarischen Wert. Es ist Margareta Erichsen gelungen, die Seele der Häuser und deren Umfeld einzufangen, so dass sich unser Auge für die Schönheit öffnet – auch in der Veränderung und dem Verfall. Viele Orte suchte sie wiedeholt auf, wodurch es ihr gelang, sich mit immer größerer Intensität mit ihnen auseinanderzusetzen. Bis ins hohe Alter setzte die Künstlerin diese Auseinandersetzung mit ungebrochenem Interesse fort.

Eine Kurzbiographie

Margareta Erichsen - 100 Jahre

Hat man die Bilder Margareta Erichsens gesehen und sich in sie hineinversetzt, wird man die Welt anders und mit erweitertem Blick wahrnehmen. Man verspürt die Identität der Häuser und ihrer Umgebung. Die Künstlerin hat uns Wege zu einem neuen Sehen und Verstehen geebnet.

Maike Lohse

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